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Heute wollen wir uns nochmal den ultimativen Touristen-Kick geben. Im Vorfeld dachte ich, mehr geht nicht. Für den Weg „Via dell Amore“ gibt es viele Gründe, ihn zu laufen: Er ist der Weg der Liebe, wie der Name schon sagt. (Und wir zwei lieben uns.) Er ist nur 810 m lang und man kann ihn definitiv mit Flipflops gehen. Er war 12 Jahre gesperrt wegen Erdrutschen usw. und ist erst seit August 2024 wieder eröffnet. (Hoffnung: vielleicht sind doch noch wenige Touris unterwegs) Man muss ein Zeitfenster im Voraus buchen. Alle 15 min werden nur 100 Leute auf die Piste geschickt. Man bedenke: es sind nur 800 m und man darf ihn nur in eine Richtung gehen. Und das begehen des Weges kostet 18 € . Hat man die Cinque Terre Card, wie wir, sind es immer noch 10 € pro Person. 

Wir haben ja jetzt schon öfter die Erfahrung gemacht, dass es viele, sehr viele Menschen gibt, die es toll finden dort zu sein, wo alle sind. Sylke hat ja auch so ein Gen. Unterm Strich ist es aber einfach nur nervig.

Wie krass ist das denn? Ok, wir haben uns schon gestern einen Timeslot um 13 Uhr gebucht. Da waren wir die einzigen zwei zwischen 13:00 Uhr und 13:15 von 100 die die Tour machen wollten/sollten. Es war besser als erwartet: Menschenmäßig. Aber auch schlechter als erwartet: In Bezug auf den Wow-Faktor. 

Ein netter Weg mit einer netten Geschichte. Mehr aber auch, leider, nicht.

Umgehauen vor Romantik etc. hat uns der Weg nicht wirklich. Aber klar: Bei all den wirklich anstrengenden Wanderwegen hier, ist das eine Tour, die man jedem verkaufen kann. Marketing eben und mit Sicherheit wird man den Weg in 2 Jahren, wenn alle Kreuzfahrer und alle Busreisen etc. kapiert haben, dass man damit Geld verdienen kann, auf den Zug aufspringen. Und dann geht die Rechnung auf.

Einen gewissen Wow Effekt hat auf jeden Fall der Aufwand der für diese 900 Meter betrieben wurde. Die Verbauungen sind unglaublich.

Im Nächsten Ort Manarola sah die Welt schon anders aus. Massen über Massen Menschen, soweit das Auge reichte. Wir gehören ja selbst zu der Spezies Tourist, aber irgendwie fühlen wir uns hier nicht zugehörig. Wir sind bestimmt nichts Besseres. Und in den Augen der anderen ist man genauso ein Depp, der in so ein Minidorf fährt,um dessen Attraktivität zu erfahren -genießen wäre das falsche Wort. Um ein oder um ein paar Fotos für Instagram oder den Diaabend zu Hause zu machen.

Natürlich ist Manarola ein cooler Ort, von der Ferne betrachtet.

Ich habe heute Uwe das Versprechen abgenommen, dass er nie einer Reise zustimmt, die zu einem weiteren Touristen Hot Spot führt. Z.B. dem Kloster in Mont St. Michel, der Amalfiküste, Dubrovnik. Alles auf meiner To do-Liste. Alles gestrichen. 

Die Faszination von sehr vielen Menschen an einem sehr schönen Ort, hat ihren Reiz verloren. (Anmerkung der Redaktion: Sylke ist endlich geheilt).

Faszinierend und deprimierend zugleich. Viele sind unfreundlich, du bekommst in der Kneipe einen Post it, damit du aufs Klo gehen und dich als Gast ausweisen kannst. Weil sehr nette, sehr selbstbewußte Tourigruppen einfach ohne zu fragen das Klo blockieren, ohne auch nur ein Eis zu kaufen oder sogar für den Espresso an der Bar nicht mal bezahlen wollen.

Ursprünglich wollten wir gar nicht den Wanderweg nach Corniglia nehmen. Aber unsere Erfahrung wurde wieder einmal bestätigt: Sobald du aus dem Trubel raus bist und es anstrengend wird, reduzieren sich die Menschenmengen ganz schnell. Das ist hier nicht anders als sonstwo auf der Welt.

Ich möchte jetzt am liebsten an einem Ort im finsteren Brandenburg sein, kein Tourist weit und breit vielleicht eine Dorfkneipe, zu Fuß mit dem Rucksack oder mit dem Fahrrad, egal, Hauptsache keine solche Touristen. Es könnte gehen, aber hier geht es nicht gut. 

Die Touris benehmen sich, als ob ihnen die Gegend, das Dorf, der Trail gehören würde. Rücksichtnahme? Wofür denn? Die Einheimischen, oder die, die Kneipen, Läden etc. betreiben sind offensichtlich ziemlich abgebrüht. Denn wenn jemand es nicht passt, steht der nächste für den Tisch schon in der Schlange. So schaukelt sich das Ganze hoch. Niemand muss wirklich freundlich, zuvorkommend, rücksichtsvoll sein. Die Touris nicht und der Service nicht. Kapitalismus in Reinkultur.

Je höher wir kamen, um so schöner und einsamer wurde es. Zumal wir noch Glück mit dem Wetter hatten.

Meine Illusion von „schöner Gegend“ (Du bist nie allein!) und sportlicher Aktivität (Plunze A zu B: „Wir nehmen den Shuttle-Bus ins Zentrum“) hat meine eigenen Urlaubsideen zurecht gerückt. Die Welt ist aus den Fugen. Und wir sind ein Teil davon. Au weia!

Der Weg nach oben war nicht nur steil, sondern auch mit fast 500 Metern Höhenunterschied ziemlich anstrengend. Dabei war das hier noch der nett zurechtgemachte Teil. Vorher ging es über ziemlich wilde Steintreppen in den Weinbergen.

Das alles hört sich ein bisschen frustriert an? War es auch. Dann haben wir uns aber dazu entschlossen dem Ganzen zu entfliehen und den Höhenweg zurück in unsere schöne Behausung zu nehmen.

Belohnt wurden wir oben in einem der Weingüter mit einem Weisswein.

Also sind wir spontan von Manarolo in unseren Ort Corniglia zurück auf einem Höhenweg gewandert. Wie toll war das denn? Die Höhenmeter haben fast alle gescheut, die Sonne hat geschienen und manchmal, aber nur wirklich manchmal waren wir allein auf dem Wanderweg.

Die Wege allein könnten Geschichten erzählen denn die Mauern sind hunderte von Jahren alt.

Bis jetzt sind wir von der ligurischen Küche in den Restaurants um uns herum noch nicht wirklich verwöhnt worden. Es muss sie geben, die tollen Spaghetti al Pesto, den tollen Fisch, die leckeren Dolci. Hier um uns herum sieht das eher traurig aus. Niemand muss sich wirklich Mühe geben, denn wie schon oben beschrieben: Hier steht immer schon der/die nächste bereit um sich an den Tisch zu setzen.

Nach fast drei Stunden Wanderung durch die Weinberge waren wir dann froh, unser Dorf Corniglia in dem wir wohnen, von oben zu sehen. Der Abstieg war dann noch einmal eine andere Sache…

Deswegen essen wir wieder auf unserem privaten Balkon. Mit regionalen, leckeren Spezialitäten versteht sich.

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