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Wie immer haben wir unabhängig voneinander ein Fazit unserer Reise geschrieben. Das Beitragsbild zeigt eine Skulptur in Xi´an. Sie heisst: Die Reise nach Westen. Vorbild ist ein klassischer, chinesischer Roman mit gleichem Titel in dem der Mönch Xuanzang, begleitet von dem Affenkönig und Dämonen auf dem Drachenpferd nach Indien reist um Erleuchtung zu finden. Wir waren in der anderen Richtung unterwegs mit der gleichen Absicht.

Zuerst hier das Fazit von Sylke: Was für ein Bild hatte ich nur von China, als mein Hintern noch zu Hause auf der Couch saß? In der Rückschau ein peinliches Eingeständnis, ich lag sowas von falsch. 
Ich dachte, ich komme in ein dreckiges Land, voll rotzender und auf die Straße spuckender, unfreundlicher Chinesen, die außer Smog und Milliarden an Landsleuten nicht viel zu bieten haben. Sorry China! Und meine Entschuldigung ist wirklich ernst gemeint. Sorry für meine Dummheit, Ignoranz und Hochnäsigkeit. 

Neu und alt liegen oft ganz nahe beisammen. Nicht nur in der Architektur, sondern auch in den Köpfen.


Denn dieses Land war für mich wirklich eine tolle Entdeckung. Ganz anders als erwartet. 
China ist eine Supermacht, mit viel Geschichte (Terrakotta-Armee), beeindruckenden Großstädten (Peking), krasser Gigantomanie (Yangtse-Staudamm) und toller Landschaft (Reisterrassen), um nur ein paar Beispiele zu nennen. Und Hongkong ist meine neue Lieblingsstadt, aber nur bei Nacht, weil die Skyline so toll ist. Am Tag sind einfach unfassbar viele Menschen gleichzeitig unterwegs. Das nervt dann doch ein bisschen. 
Oft sind wir von Reisen zurückgekehrt und ich habe gesagt: „Zum Glück leben wir in Deutschland!“ Von hier reise ich zurück mit einem flauen Gefühl im Magen. „Au weia. Noch ein paar Jahrzehnte (oder nur Jahre?) und wir sind wirklich abgehängt.“ Irgendwie habe ich China nur mit billigem, nachgebautem Ramsch verbunden, aber die können wirklich selber was. Alles sauber, mit unfassbar schnellen Zügen, riesigen Bahnhöfen, schicken, chinesischen Frauen, interessantem Essen (und da haben wir wirklich das Aufregende verschmäht).

Technisch gesehen könnte das auch ein Bahnhof in Japan sein. Die Bullet-Trains unterscheiden sich jedenfalls in nichts von ihrem Vorbild. Dagegen sind unsere ICE´s lahme Enten.


Wir haben auf dieser Reise gesehen, was man als China-Tourist bei Erstkontakt gesehen haben muss.  Mehr kann man in drei Wochen nicht unterbringen. Wären wir ohne Gruppe unterwegs gewesen, hätten wir für das ganze Pensum die doppelte Zeit gebraucht. Die Kreuzfahrt war vielleicht am langweiligsten, aber mal ein paar Tage die Seele baumeln lassen war auch okay. Beeindruckend war hier nicht der Fluss, sondern was die Chinesen sich getrauen, in die Tat umzusetzen. 
Unser Reiseleiter Edi war ein chinesisches Alltound-Talent, Beschützer, Geldwechsler, Kalligrafie-Lehrer, Wetterfrosch, Zeitmanager, Essenbesteller, sich um Alles-Kümmerer. Das war sehr professionell. 
Auf unserer Heimreise dann ein Aha-Moment. In Frankfurt auf dem Flughafen war die Schlange für EU-Bürger so lang bei der Einreise nach Deutschland, dass wir fast eine Drei viertel Stunde Zeit hatten. Zwei einsame Beamte waren an den Schaltern und jeder Pass wurde von Hand aufgeschlagen. Sowas dauert. Wir hatten also Zeit für ein interessantes Gespräch mit einem netten Geschäftsmann, der auch gerade aus China kam. Dass die Einreise so ewig dauert: „Schwamm drüber“ und die Chinesen das anders machen würden: „Geschenkt!“

Nicht nur die Bauern sind nach wie vor begeistert vom großen Vorsitzenden.


Aber auf meine Frage „Was müssen denn wir Deutschen tun, um irgendwie den Anschluss an China nicht zu verpassen?“ die Antwort: „Das ist leider schon zu spät. Die Chinesen haben eine hohe Meinung von der deutschen Ingenieurkunst, aber machen, das können sie jetzt selber.“ 
Also: Fahrt selber mal hin und schaut euch das mit eigenen Augen an. Tolles Reiseziel, ein bisschen frustrierend in der eigenen Nabelschau für Deutschland. 
Und danke an dich, mein Liebster. Dass du trotz „gar keine Lust“ doch auch Spaß an der Reise hattest. Du mich vier Wochen an der Hand gehalten hast, denn hättest du losgelassen, ich hätte nie zurück gefunden. Danke, dass ich mit dir so viel über das Land diskutieren konnte. Danke, dass Du tapfer an jeder Harmonie-Halle (die Umschreibung des chinesischen Guides für die Toilette) ohne zu murren auch einen Stopp eingelegt hast, obwohl du Gruppenreisen gar nicht magst. Du bist mein liebster Reise-Kompagnon. 

Viele Menschen, für die ihre Handys so etwas wie ein Körperteil ist.

Und hier das Fazit von Uwe: Es war wieder einmal toll mit einer Sylke, meiner zukünftigen Braut, entspannt unterwegs zu sein. Sie mal wieder entstresst von dem ganzen bgw-Theater zu erleben. Schon das allein war die Reise wert. 

Zuletzt war ich ja vor 13 Jahren in China. Seitdem scheint sich einiges, sehr schnell zum Positiven verändert zu haben. Leider habe ich mit meinen Eindrücken von damals wohl auch Sylkes Erwartungen auf China beeinflusst. Mea Culpa! Vor dreizehn Jahren habe ich eine Reise genau dahin gemacht wo wir jetzt waren (Mit Ausnahme von Peking und Shanghai). Damals war es dort in Yunnan und Guilin noch ziemlich finster. Ich will nicht beschreiben, wie die Verhältnisse in den „Hallen der Harmonie“, also den Toiletten waren. Jetzt hängen über den blitzsauberen Pissoirs Schilder die sagen: „Ein kleiner Schritt vorwärts ist ein großer Schritt in Richtung Zivilisation“. Diesen Anspruch hat offensichtlich die Partei bis in die letzten Winkel der Regionen getragen und die Chinesen und Chinesinnen sind fest entschlossen, das nicht nur auf den Toiletten umzusetzen.

In den Städten wie auch auf dem Land haben ältere Menschen viele Möglichkeiten ihren Hobbies nachzugehen oder „Opa-Oma-Sport“ zu treiben.

Vor dreizehn Jahren kannte niemand bei uns Unternehmen wie Tencent, Alibaba, Pinduoduo etc. Ich bin ihnen damals bei meinen Reisen nach China an jeder Ecke begegnet und habe ihre Aktien gekauft und es nicht bereut. Heute entwickeln dort Handyhersteller wie Xiaomi supercoole Autos, die besser aussehen als ein Porsche und die man für die Hälfte von dem, was VW für einen ID4 verlangt, kaufen kann. Wir sind in Zügen mit 350 km/h gefahren, die auf die Minute pünktlich waren, auch über eine Distanz von 1200 Kilometern. Bahnhöfe, Flughäfen, Städte, Autobahnen, Nahverkehr, Busse alles supersauber, supergroß, superorganisiert. China ist nicht mehr das Land der billigen Produkte ohne Qualität. Den Schund exportiert Temu und Shein nach Deutschland. Den braucht in China niemand. Und natürlich: Alles superüberwacht! Vorteil oder Nachteil? Datenschutz? Fehlanzeige! Wer sich in China bewegt wird beobachtet. Deswegen beschmiert niemand Wände, wirft Müll auf die Strasse, macht Blödsinn, demonstriert oder blockiert, oder ist dagegen. Gegen was? Die Partei? Das System?

Superschwierig. Hier eine Position zu finden ist nicht einfach. Unser Reiseleiter konnte uns seine Meinung mitteilen und die war nicht systemkonform, sondern in manchen Bereichen sehr kritisch. Es gibt Probleme mit 18 Prozent Jugendarbeitslosigkeit, mit den Wohnungspreisen, der Immobilienblase, den Unternehmenspleiten, den Investitionsruinen, den Kosten für Nahrungsmittel, mit dem Schulsystem etc..

Einerseits ist vieles hochmodern, andererseits hat sich kaum etwas verändert. Was aber auch unser Reiseleiter immer betont hat: Die Chinesen sind sehr fleißig.

Aber, der chinesische Staat kann für seine Bevölkerung etwas nachweisen, was wir in Europa, speziell in Deutschland, nicht mehr können: Auch wenn das Wirtschaftswachstum nicht mehr zweistellig ist, im Land der Mitte, prosperieren Gesellschaft, Wirtschaft, Infrastruktur, Wissenschaft, Kultur und damit die Zufriedenheit. Die paar Irren (dazu zählen viele Chinesen auch die Minderheiten wie Uiguren, Bao, Muslime, etc pp.), die unter den 1,3 Milliarden leben, spielen im Gesamtbild für die Majorität der Han-Chinesen keine Rolle. Sie können gerne ihre Meinung sagen, die auch gehört wird (im Sinne der allgemeinen Harmonie). Wenn es um andere Dinge geht wie z.B. sexuelle Orientierung, ist Shanghai nicht anders als Berlin (nur deutlich besser gekleidet). Allerdings wird kaum jemand ein lesbisches Pärchen in der Öffentlichkeit angreifen, denn das führt direkt zu dem Punkt: Superüberwacht und zwar zum Nachteil des Angreifers, nicht dem Pärchen. 

Viele traditionelle Bauten dienen als Kulissen für die Selbstinszenierung in traditionellen Kostümen. Was allerdings erstaunlich war: Durchweg haben sich vor allem junge Menschen verkleidet wie zu Kaisers Zeiten. Wir haben nicht herausgefunden, wozu die Fotos dienen und unser Reiseleiter meinte lapidar: Daseinsfotos. Schön sahen sie aber alle aus.

Jetzt aber mal vom Gesellschaftlichen abgesehen: China zu besuchen heißt ein ungewöhnlich attraktives Reiseland mit vielen Facetten zu erleben. Als Normalo- Touristen haben wir erst im Nachhinein erfahren (Asche auf unser Haupt, denn wir haben ziemlich unvorbereitet gebucht), dass wir bei weitem noch nicht alle Attraktionen dieses riesigen Reiches gesehen haben. Es gibt noch viel mehr zu entdecken. Ob ich jetzt doch noch einmal nach China reisen möchte? Jaein. Bei aller Attraktion: Mir waren zu viele Menschen unterwegs. Aber das ist mein persönliches Problem und: Das Bier hat in den letzten 13 Jahren stark gelitten. Das gute Tsingtao Bier von damals gibt es nur noch in der Light Version die sehr wässerig schmeckt. Schade. Aber sonst: Mit Sylke reise ich natürlich (fast) überall hin und ich bin froh, dass wir diese Reise zusammen erleben durften und ich mein Bild von damals deutlich korrigieren konnte. Danke meine liebe Sylke, dass du so darauf beharrt hast, diese Reise gemeinsam zu unternehmen und danke für deine Geduld, Liebe und Unterstützung nicht nur auf dieser Reise.

Die zwei alten Streuner bei einem erneuten Versuch ein cooles Selfie zu produzieren. Meistens ging es schief, aber wir waren ja mit einer Gruppe unterwegs und da wurde uns manchmal geholfen.

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