Categories:

Der lokale Reiseleiter steigt in den Bus am frühen Morgen und fängt an über sich und die Welt zu sprechen und hört nicht wieder auf. Nach 30 Minuten schläft der eine, der andere liest in seinen eigenen Reiseführer, viele schauen aus dem Busfenster, ich selber höre meine Lieblingssongs auf Spotify. Keiner hört wirklich zu (so scheint es jedenfalls), aber keiner sagt dem armen Chinesen „Danke. Es reicht“. Das ist eben auch der Teil einer Gruppenreise. Keiner fühlt sich verantwortlich. Nach einer reichlichen Stunde Dauerbeschallung gibt der chinesische Guide auf, bestimmt nicht, weil ihm die Themen ausgegangen sind. Sondern die Interessenten. 

Von einer Terrasse aus hatten wir einen tollen Überblick über den Naigu Steinwald. Er ist mit seinen 10 Quadratkilometern ein UNESCO Global Geopark. Wir waren im weniger touristischen Teil unterwegs. Am Eingang wurden wir gleich von Romeo und Julia begrüßt. Siehe Beitragsbild. Chinesische Fantasie eben!

Wir sind unterwegs zum Steinwald. 1,5 h von Kunming entfernt. Leider ist es bewölkt und die Gegend des „ewigen Frühlings“ hat aktuell unser deutsches Novemberwetter. Natürlich ist klar, dass  man keinen Einfluss auf das Wetter hat. Ärgerlich ist es trotzdem, kalt und regnerisch. Da hilft nur utilisieren, während sich der einheimische Guide im Bus im Kopf und Kragen redet. Utilisieren, dass  habe ich  in meinem Anti-Ärger-Training gelernt. Eine Kernkompetenz, um gute Laune zu behalten. Utilisieren bedeutet, wenn man aus einer blöden Situation (Regen und Kälte in der Gegend des ewigen Frühlings) immer noch was Gutes zieht, z.B. wenig Touristen, hohe Luftfeuchtigkeit ist gut für den Teint, tolle Locken, man schwitzt nicht. Klappt wunderbar. Keine Ahnung, wie es hier bei Sonnenschein und Blauen Himmel wäre.  

Man sieht Sylke deutlich an, dass ihr die „Wanderung“ gefallen hat. Es ging zwar mal ein paar Treppen hoch, aber kein Vergleich zu dem, was wir schon in der sächsischen Schweiz erklommen haben.

Am Ende musste der Vormittag gar nicht utilisiert werden, die Wanderung durch den Steinwald war toll. Zwar ohne Sonne, aber es hat nicht geregnet. Verrückt ist, dass wir  9000 km nach China fliegen, um eine nachgebaute sächsische Schweiz zu bewundern. Der Unterschied zu Sachsen ist, dass hier die Felsen aus Kalkstein sind. Und an einem durchschnittlichen Tag  30.000 Touristen (knapp 11 Mio im Jahr) hier her kommen, die sächsische Schweiz hat im Jahr 3 Mio Touristen. Der Reiseführer sagt, dass in der klassischen chinesischen „Goldenen Woche“ in Oktober, also der Ferienwoche, hier am Tag 200.000 Menschen sind. Die verteilen sich zwar auf fünf Punkte, es sind aber trotzdem sehr viele Leute. Wir waren heute praktisch ganz allein.

Durch einige der Schluchten mussten wir dann durch. Mit Kopfeinziehen und diversen Spassfaktoren.
Der kleine Spiegelsee lag etwas versteckt. Aber wenn da noch die Sonne geschienen hätte…

Danach gab es Mittagessen in einem Gasthaus mit der Spezialität der Gegend: Eine sehr, sehr dünne Ente, die eigentlich nur aus einer ledrigen Haut und einer dünnen Fettschicht bestand. Wo ist denn das Fleisch hin? Da lobe ich mir doch eine ungarische Mastgans!

Die Yiliang Roast Duck ist eine regionale Spezialität, deren Herstellung ein Koch aus der Gegend bei seiner Ausbildung in Peking „gelernt“ hat. Die Chinesen haben wohl auch keine Skrupel im eigenen Land zu kopieren. Man bekommt die ganze Ente auf den Teller, damit der Gast überprüfen kann, dass alle Stücke dran sind und nicht eins zufällig von den Resten gestern dazugefügt wurde.
Kunming hat vier Bahnhöfe. Ich weiss nicht wie die anderen drei aussehen, aber es ist schon beeindruckend, in welchen Größenordnungen hier die Infrastruktur geplant und gebaut wird.

Mit dem Zug geht es weiter 6h nach Guilin, immer  mit einer Geschwindigkeit von 250 km/h. Wie immer von einen riesigen, sauberen Bahnhof.  Heute hieß es in den Nachrichten, dass der Bahnhof Stuttgart 21 doch noch ein paar Jahre braucht, bis er eröffnet wird. Kopf schüttel und Augen verdreh…, ich glaube, wir dürfen bald nicht mehr bei den Großen mitspielen. 

In der Abenddämmerung fahren wir an eindrucksvollen Landschaften vorbei. Mit 250 km/h

Nach 6 Stunden im Zug und noch mal anderthalb Stunden im Bus sind wir endlich in unserer Herberge angekommen. Nach so einen Tag merkt man schon, dass man nicht mehr ganz so taufrisch ist.

Tags:

No responses yet

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Cookie Consent mit Real Cookie Banner